FSHD-Selbsthilfe Berlin 
Allgemeine Infos über FSHD

Ein Video, das zum Anlass des ersten weltweiten FSHD Tages 20. Juni 2016 gemacht wurde, erklärt schon ganz gut, was FSHD ist




Was ist FHSD?

FSHD ist eine Form von Muskeldystrophie, die zuerst im Jahre 1884 von den beiden französischen Ärzten Landouzy und Déjerine beschrieben wurde und sehr lange nach ihnen benannt wurde.
Die FSHD wurde bisher mit einer Häufigkeit von 1 zu 20.000 in der Bevölkerung genannt. Neuere Statistiken aus den Niederlanden, wo es ein großes FSHD Patientenregister gibt, sprechen von 1 zu 8.900 Personen.
Es sind bei dieser Erkrankung ganz bestimmte Muskeln betroffen, so die Gesichtsmuskulatur rund um Augen und Mund, die Schulter- und Oberarmmuskeln und die Fussheber am Schienbein. Weitere Muskeln der unteren Extremitäten werden meistens im fortschreitenden Krankheitsverlauf schwächer. Ganz typisch für FSHD ist eine asymmetrische Verteilung der Muskelschwäche. Der heutige Name "Fazio-skapulo-humerale Muskeldystrophie leitet sich aus den lateinischen Begriffen für die FSHD-typischen Muskelgruppen "Gesicht-" "Schulter-" und "Oberarm-" ab.


Wie äußert sich diese Muskeldystrophie?

Bei einer Muskeldystrophie ist die Struktur der Muskelzellen durch sehr unterschiedliche genetische Ursachen gestört und sie reagieren empfindlich auf mechanischen oder oxidativen Stress. Das Muskelgewebe der Patienten geht zurück, da die einzelnen Zellen kaputtgehen. Diese Prozesse können sehr langsam oder auch sehr schnell ablaufen, das ist von Dystrophie zu Dystrophie unterschiedlich. Bei der FSHD werden drei Ursachen für den Abbau der Muskeln diskutiert, vermehrter oxidativer Stress, Apoptose (vom Körper gesteuerter Zelltod) und Enzündungsprozesse in den Muskeln.

Der Verlust von Muskelgewebe führt zu erheblichen Bewegungseinschränkungen, die meist zu Beginn des 20. oder 30. Lebensjahrs bemerkt werden. Die ersten Anzeichen von Bewegungseinschränkungen sind die Gesichtsmuskelschwäche sowie die Schwäche der Schultermuskulatur. Der verminderte Lidschluß durch die Muskelschwäche rund um die Augen kann zu Austrocknungserscheinungen der Hornhaut führen. Die Augen müssen entsprechend gepflegt werden. Alle Patienten geben an, dass sie noch nie pfeifen konnten, aufgrund der Muskelschwäche um den Mund. Außerdem kann die Mimik beeinträchtigt sein. Ein Beginn der Symptomatik mit einer Schwäche in der Beckengürtelmuskulatur schließt die Diagnose einer FSHD praktisch aus.
Im weiteren Verlauf der Erkrankung können die Menschen ihre Arme nicht mehr hochheben und schwere Sachen tragen, oder über Kopf arbeiten (Wäsche aufhängen, Tapezieren). Wenn die Beinmuskulatur betroffen ist, wird Laufen sehr schwer, Treppensteigen, aber auch von einem Stuhl aufzustehen. Auch die Rumpfmuskulatur ist meist beteiligt, das Aufrichten aus liegender Position ist erschwert. Dabei können die Symptome in ihrer Schwere von Patient zu Patient sehr unterschiedlich ausgeprägt sein.Es kann gelegentlich zu langen Perioden von Stillstand kommen. Bei Frauen scheint die Ausprägung und der Verlauf etwas milder und der Krankheitsbeginn später zu sein. Über Muskelschmerzen und Müdigkeit berichten Patienten sehr häufig. Schluck-und Atembeschwerden kommen äußerst selten vor. Trotz geringer Progredienz der Symptome benötigen etwa 20% der Erkrankten später einen Rollstuhl. Eine Herzmuskelbeteiligung wurde bisher nicht oft beschrieben, durch verfeinerte Bildgebungsmethoden, wie das MRT, können jedoch im FSHD Herzmuskel leichte und typische Veränderungen beobachtet werden. Es wird eine regelmäßige Untersuchung am Herzen empfohlen.

Bei etwa 10-20% der FSHD-Erkrankten entwickeln sich die Symptome bereits im Kleinkindalter und bei dieser kindlichen Form der FSHD ist der Verlauf sehr schnell und schwer. Diese Menschen benötigen meist schon in ihrer frühen Jugendzeit einen Rollstuhl. Auch ist in dieser Gruppe von FSHD-Erkrankten das Risiko erhöht, eine Hör-Schädigung im hoch-frequenten Bereich zu entwickeln. Es wird eine nächtliche Beatmung nötig und es sollte auch tagsüber auf die Atemmuskulatur geachtet werden. So gibt es beispielsweise ein Gerät, das beim Abhusten der Lungen hilft. Das beugt schweren Lungenentzündungen vor, die bei diesen Patienten einen sehr gefährlichen Verlauf nehmen können.


Veränderung der Retina und Hochtonschwerhörigkeit

Patienten mit einer FSHD können zusätzlich zur Muskelsymptomatik auch Hörstörungen aufweisen, wobei es sich dabei um eine Hochtonschwerhörigkeit handelt, die sich vor allem in den Frequenzbereichen von 4000-6000 Hz bemerkbar macht. In manchen Fällen kann der Hörverlust auch progredient sein und später auch die niedrigeren Frequenzbereiche betreffen. Eine solche Hochtonschwerhörigkeit wird bei weniger als 10% der Fälle mit einer familiären, autosomal dominanten Form, aber in 20–30% der Fälle mit einer kindlichen Form beobachtet und kann dann auch symptomatisch werden. Zusätzlich zur Muskelsymptomatik zeigte sich, dass auch Veränderungen der Retinagefäße und Gefäßverschlüsse auftreten können. Jedoch wurde bisher nur bei sehr wenigen Familien eine Retinaveränderung nachgewiesen und es ist deshalb zweifelhaft, ob dieses Symptom zum Krankheitskomplex FSHD dazugehört. Eine Korrelation zwischen der Schwere der Muskelsymptomatik und dem Ausmaß der Hochtonschwerhörigkeit besteht nicht.


Wie verläuft die Vererbung dieser Krankheit?

Die Vererbung der Krankheit FSHD ist autosomal-dominant, was bedeutet, dass ein Mensch mit FSHD die Krankheit mit der Wahrscheinlichkeit von 50% weitervererbt, egal ob Mann oder Frau. Denn der Fachbegriff „autosomal“ bedeutet, dass die Krankheit nicht mit einem Geschlechts-Chromosom verbunden ist, und so also unabhängig vom Geschlecht vererbt wird.
Jeder Mensch hat einen Erbanteil vom Vater und einen von der Mutter, somit ist jedes Gen doppelt da. Bei der Krankheit FSHD reicht schon ein Erbanteil aus, um die Krankheit zu verursachen und das ist die Bedeutung des Fachbegriffs „dominant“; der Erbanteil der Erkrankung setzt sich auf jeden Fall durch.


Was ist die molekularbiologische Ursache der FSHD?

Im Jahr 2011 wurde der Transkriptionsfaktor DUX4 als Ursache für FSHD entdeckt. Bekannt war er schon vorher, denn er liegt in einer inaktiven Form in der Wiederholungssequenz D4Z4 am Ende des Chromosoms 4. Menschen mit FSHD haben typischerweise eine Deletion dieser Wiederholungssequenz, diese weist bei FSHD nur 1-10 Wiederholungseinheiten auf. Es konnte gezeigt werden, dass eine Aktivierungseinheit am Ende von D4Z4 das normalerweise an dieser Stelle inaktive DUX4 aktiviert, nämlich das 4qA Allel. Hat ein Mensch eine Deletion der D4Z4 Wiederholungssequenz, jedoch ein 4qB Allel führt die Deletion NICHT zu den Symptomen der FSHD. FSHD ist also eine digenische Erkrankung und benötigt zwei Ursachen, damit sie auftritt. Eine verkürzte D4Z4 Wiederholungssequenz ist hypomethyliert, was bedeutet, dass sie nicht mehr verpackt vorliegt und ihre Informationen abgelesen werden. Dieser Fakt zusammen mit der Aktivierungseinheit 4qA führt zur Bildung von DUX4, welches eine hoch toxische Wirkung auf die Muskelzellen hat.

Bei ca. 5% der Betroffenen liegt der Genort nicht an derselben Stelle wie bei der Mehrzahl der FSHD Patienten. Sie haben allerdings dieselben Symptome und diese Erkrankung wird als FSHD2 klassifiziert. Im Jahr 2012 wurde das Gen gefunden, das die FSHD2 verursachen kann, nämlich SMCHD1, welches auf Chromosom 18 liegt. Mutationen im SMCHD1 zusammen mit einer Aktivierungseinheit 4qA auf Chromosom 4 führen zu FSHD. Auch hier ist die Ursache die Hypomethylierung der D4Z4 Wiederholungssequenz und die Krankheit tritt nicht auf, wenn zwar Mutationen im SMCHD1 vorliegen, jedoch auf beiden Chromosomen 4 ein 4qB Allel liegt.